Ein Brief des Händlers Franz Korbítschek an seine Tochter Margarete aus seiner Reise nach England: Im Sommer 1717, London [Übersetzung vom barocken Böhmisch]

Kings Theatre, London

Tausend Grüßen, unsere treue liebe Tochter, aus der londinischen Stadt schreibt dir dein geehrter und geliebter Herr Papá. Hoffend, dass dich Gesundheit begnadet, schreibe ich dir dieses Schreiben im Hause deines Vetters Johann, den du, Gott beweine die Wahrheit, niemals erblicken konntest. Dein Brief kam zu mir ohn Makel und wahrlich kann ich mich mit Stolze rühmen, welch meine Tochter ist, so wie sie willig ist der geehrten Mutter zu helfen und am Versuchen ist ein gutes Jungfräulein zu sein. Nun lange wird mein Gereise im englischen Lande nicht mehr von langer Dauer sein, dennoch teilt mich von dir, mein gülden Blümchen, eine kurze Zeit. Doch beliebe nicht dein Haupt zu hängen, denn für dich hab ich eine Historie, welch mir geschah und du gewiss ein Belachen in jener findest.

Wie ich früher dich bekündigt habe, verweile ich derweilen im Londinium und eines Tages musste ich aus dem Hause gehen, denn ein Verkehren in einer Händlerssach von Pflicht war, und ohn’ jene Säumnis an Ort und Stelle musste ich sein. So ging ich also über eine gelegte Straß, alsdann aus heiterem Himmel in mich ein fremdes Gemanne stoß. In vollkommene Empörung gesetzt, zurecht sprach ich diesem Lunderlinge, dass er eher seinem Gange Beachtung widmen solle, eher denn seinem Fuzipapier. Sieht er etwa nicht, dass Andere hier ihren Pfad führen? Der Kerl mit seinem Béret rouge entschuldigte sich und eilte flott fort. Dies jedoch ist nicht das Ende des Erzählens.

Sehr wohl weißt du, mein Blut, dass wir gesamt die Liebe zu musischen Künsten teilen, dies vornehm, sei es man rede von Musik. Ich beliebte nicht zu faulenzen, und so, sobald der Gleich fertig war und das Geschtritte in der Zahlung verging, hastete ich ins Theater. Es wart nun eine gute Weile, seitdem ich mich auf die Oper des Maestro Händel freute, welche ich so kränklich ersehen wollte, doch deswegen eilte ich so sehr, damit ich rechtzeitig ankam. Rinaldo benahmt ist sein Opus, welcher von mir an jenem Abend besehen wurde. Ich saß mich hin, genoss jede Weil und mit gewaltigem Jauchze bereitete ich mich zu Ehren der Kunst des Werkes zu klatschen. Die Krönung jedoch sollte erst kommen. Auf einmal stellte sich der Kapellmeister aufs Podium und lud, als den würdigen Gast, den Autor selbst zu sich und wieder erhob sich der Applaus des Auditoriums. Ich jedoch vor Bange konnte fast nicht atmen. Weißt du weshalbe? Nun, dieser Hastling mit dem Béret war Maestro Händel! Kein Händler, kein Scharlatan, doch der Musikmeister selbst! Man kann jedoch all Dinge mit ehrlichen Worten zu Gute richten. Ein kürzlichen Augenblick konnte ich seiner Tiefe der Musik huldigen und meine Hitzigkeit entschuldigen. Eine schöne Erinnerung bleibt dieser Abend. Mich erwartet des Weiteren der Besuch der oxfordischen Stadt und unbedingt die Rückkehr zurück zur beheimateten Erde.

Das geliebte Tochterchen Margrete und die treue und geehrte Gattin Josefine überhäuft voller Lieblichkeit mit Grüßen ihr Mann und Herr Vater

Franz Korbítschek, der Marktmann